Influencer-Experte findet TikTok-Kanal von Olaf Scholz „supermutig“ (2024)

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Von: Raphael Strecker

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Seit April hat Olaf Scholz seinen TikTok-Account. Im Exklusiv-Interview mit RUHR24 bewertet Social-Media-Experte Marlon Giglinger den Auftritt des Kanzlers.

Dortmund/Berlin – Als Mitgründer und Geschäftsführer der Berliner Influencer-Agentur „Netzschreier“ kennt sich Marlon Giglinger in den sozialen Medien bestens aus. Auch den TikTok-Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz hat er genau unter die Lupe genommen. Im Exklusiv-Interview mit RUHR24 spricht der Influencer-Experte über Chancen und Risiken von Social Media.

Influencer-Experte findet TikTok-Kanal von Olaf Scholz „supermutig“

RUHR24: Heutzutage müssen Politiker auf mehreren Plattformen präsent sein, um verschiedene Zielgruppen zu erreichen. Jüngere Nutzer beispielsweise verbringen viel Zeit auf TikTok. Was macht der Bundeskanzler auf der chinesischen Plattform besonders gut?

Marlon Giglinger: Also zum einen finde ich, dass der TikTok-Auftritt von Scholz und dem Bundespresseamt supermutig ist. Sie lassen sich auf die Plattform ein. Sie erstellen überwiegend auch eigene TikTok-Inhalte, anstatt einfach nur Content von anderen Kanälen wiederzuverwerten. Das ist sehr wichtig, um auch die richtigen Zielgruppen über die verschiedenen Plattformen zu erreichen. Beispielsweise wurde mit „Frag den Kanzler“ bereits ein eigenes TikTok-Format etabliert.

Auch sonst bietet das „TeamBundeskanzler“ den TikTok-Followern einen guten Mix aus Information und Unterhaltung. Außerdem finde ich, dass Scholz Einblicke in seinen Arbeitsalltag gewährt, die man bis dato so noch von keiner Kanzlerin und keinem Kanzler gewährt bekommen hat. Und er veröffentlicht dennoch auch mit Ernsthaftigkeit Statements zu aktuellen politischen Themen.

Dazu kommen die Meme-ähnlichen Videosequenzen, die ihn nahbar und authentisch machen. Ich finde, das macht er schon sehr gut. Vor allem, weil er sich manchmal bewusst, teilweise aber auch mal unfreiwillig komisch präsentiert. Diese Nahbarkeit, das ist schon cool für einen Bundeskanzler. Und ich glaube, dass das viele in der jungen Generation auch so sehen.

RUHR24: Die Reaktionen und Kommentare, die er auf die Videos bekommt, sprechen ja auch dafür, dass er etwas richtig macht.

Marlon Giglinger: Total, absolut.

Kritik an Scholz‘ TikTok-Account: „Community-Management ist ausbaufähig“

RUHR24: Gibt es denn aus deiner Sicht auch etwas, was Olaf Scholz schlecht macht?

Marlon Giglinger: Das müsste ich mit Jein beantworten. Also wenn man sich den gesamten Auftritt anschaut, dann kann man eventuell das Community-Management von ihm beziehungsweise von „TeamBundeskanzler“ kritisieren. Zumindest kann man sagen, dass es ausbaufähig ist. Das Team beantwortet zwar einige Kommentare selbst und produziert auch Videos auf Wunsch der Community. Da gab es beispielsweise – da musste ich sehr lachen – das Reaktions-Video von Scholz auf einen kurzen Clip, der ihn selbst als Bodybuilder zeigt.

Aber auf kritische Kommentare wird in der Regel nur selten eingegangen. Und teilweise fehlt in den Kommentaren auch das sprachliche Feingefühl für die Community beziehungsweise die Leichtigkeit, die er sonst in seinem Content ausstrahlt. Da muss man natürlich dazu sagen, dass das mit Sicherheit gewollte Strategie ist. Nur lustig zu sein und auch in den Kommentaren lustig zu reagieren, ist wahrscheinlich nicht das, was der Kanzler möchte.

RUHR24: Gibt es andere Politiker, deren Social-Media-Auftritte du richtig gut findest oder wo der Bundeskanzler sich noch was abgucken kann?

Marlon Giglinger: Gut ist natürlich immer relativ. Aber wir von Netzschreier haben vor ein paar Monaten geprüft, wer die größten Influencer im Bundestag sind. Und dabei kam damals raus, dass die Abgeordneten der früheren Volksparteien SPD, CDU und CSU kanalübergreifend im Schnitt am wenigsten Follower haben, während die fraktionslosen Abgeordneten und die Politiker der AfD im Schnitt am meisten Social-Media-Accounts erreichen.

Zu den erfolgreichsten Social-Media-Influencern im Bundestag zählen laut unserer Analyse vordergründig Personen, die auch in den klassischen Medien sehr präsent sind. Die Top 5 bestand beispielsweise aus Sahra Wagenknecht, Christian Lindner, Karl Lauterbach, Annalena Baerbock und Alice Weidel.

Interessant war auch, dass unterschiedliche Politiker auch unterschiedliche Kanäle für sich entdeckt haben. Während Christian Lindner beispielsweise mit über 300.000 Followern zu den reichweitenstärksten Deutschen überhaupt auf LinkedIn gehört, dominiert Sahra Wagenknecht als erfolgreichste deutsche Bundestagsabgeordnete auf TikTok.

TikTok-Bekanntheit „kann sich bei der Bundestagswahl bemerkbar machen“

RUHR24: Glaubst du, dass Erfolg auf TikTok oder auf anderen sozialen Medien sich in Wählerpotenzial übersetzen lässt?

Marlon Giglinger: Das ist die Frage aller Fragen. Ich glaube dadurch, dass Scholz immer wieder dafür kritisiert wird, zu wenig zu kommunizieren und kaum nahbar zu sein, ist das auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, wenn nicht sogar der richtige Weg. Über TikTok hat er die Chance, einen Imagewechsel zu vollziehen und vor allem auch die Gen Z und damit viele Erstwähler zu erreichen.

Ich denke auch, wenn er TikTok langfristig erfolgreich nutzt, kann sich das bei der nächsten Bundestagswahl bemerkbar machen. Allerdings steht Scholz auf der Plattform natürlich unter ständiger Beobachtung von politischen Gegnern und wird stets mit direktem Feedback der TikTok-Nutzer konfrontiert. Ich glaube, das ist auch eine Umgewöhnung für ihn und sein Team.

Aber da sein Account vom Bundespresseamt verwaltet wird, darf dieser zumindest nicht direkt für den Wahlkampf genutzt werden. Und ob ihm sein TikTok-Auftritt politisch hilft oder schadet, lässt sich nach dem ersten Monat noch nicht sagen. Aber kurz vor der Wahl im kommenden Jahr kann man das mit Sicherheit abschließend bewerten.

RUHR24: Es gibt viel Kritik an TikTok und Bedenken, dass eine chinesische Plattform auf deutsche Wahlen Einfluss nehmen könnte. Ist es nicht gefährlich, wenn Politiker sich auf TikTok präsentieren?

Marlon Giglinger: Dass soziale Medien Wahlen mitbestimmen können, haben wir in der Vergangenheit bereits mehrfach gelernt und auch lernen müssen. Und natürlich haben die verantwortlichen Plattformen auch die Möglichkeit, die öffentliche Meinungsbildung mitzubestimmen. Und das kann auf jeden Fall gefährlich sein.

Experte über Social Media: „Es ist nicht schlecht, kuratierte Inhalte aus erster Hand zu bekommen“

RUHR24: Momentan wird viel über „News Avoidance“ im Zusammenhang mit der Generation Z gesprochen. Besonders jüngere Menschen begreifen ihre Social-Media-Accounts und ihre Smartphones als Safe Space und blenden bewusst Nachrichten und politische Inhalte aus. Was bedeutet das für Politiker und ihren Auftritt auf Social Media?

Marlon Giglinger: Vollkommen richtig, aber auch das umgekehrte Phänomen wurde schon beobachtet: dass Mitglieder der Gen Z sich in erster Linie nur über TikTok oder eben andere Plattformen informieren. Und ich glaube, an der Stelle ist es gar nicht schlecht, dass man auch kuratierte Inhalte aus erster Hand bekommt und eben nicht alles aus Hören-Sagen bestehen. Ich denke dementsprechend, dass sich Parteien und Politiker intensiv mit den Plattformen, ihren Nutzern, dem dahinterstehenden Algorithmus auseinandersetzen müssen, um erfolgreich zu sein.

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RUHR24: Auf Instagram hat Markus Söder mit dem Hashtag #söderisst eine humorige Nische besetzt und Christian Lindner präsentiert ein „Jeder kann es schaffen“-Mindset. Muss der Politiker der Zukunft ein Stück weit auch Influencer werden?

Marlon Giglinger: Grundsätzlich müssen Politiker nicht zwingend Influencer im klassischen Sinne sein, aber eine starke und authentische Präsenz in den sozialen Medien kann entscheidend sein, um potenzielle Wähler zu erreichen. Erfordert, na klar, eine durchdachte Strategie, um sowohl relevante Inhalte zu liefern, als auch authentisch zu bleiben.

Eigentlich kann ich eine Frage zurückspielen: Ich frage mich, wann wir mal das umgekehrte Phänomen erleben und dann mal einen Influencer in die Politik gehen sehen. Ich meine: Wer da mehrere Millionen Menschen über die sozialen Medien erreicht, der hat durchaus auch das Potenzial in den Bundestag gewählt zu werden. Darauf bin ich sehr gespannt, ob sowas vielleicht mal passiert.

Vielen Dank für das Gespräch.

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